Die Vorteile eines guten Erwartungsmanagements im Recruiting
Oder auch warum eine einfache Eingangsbestätigung das Leben eines Recruiters oder einer Recruiterin so sehr erleichtert…
Manchen ist das jetzt vielleicht etwas schnell gegangen. Daher fangen wir einmal ganz vorne an. Bei einer Einordnung des Themas in den Recruiting-Prozess. Ich möchte heute über das Erwartungsmanagement im Recruiting sprechen. Und dabei geht es mir natürlich um das Erwartungsmanagement gegenüber den Bewerbenden, die sich auf eine von uns ausgeschriebene Stelle beworben haben. Im 4. Schritt des Recruiting-Prozesses befassen wir uns mit dem Bewerbermanagement – also der Kommunikation mit dem Bewerber entlang des Auswahlprozesses. Und während die Haupttätigkeiten eines Erwartungsmanagements im Recruiting in diesen 4. Prozessschritt fallen, beginnt wirklich gutes Erwartungsmanagement bereits einen Schritt vorher: beim Verfassen der Stellenanzeige.
Wie kann ich bereits beim Verfassen einer Stellenanzeige auf die Erwartungen der Bewerbenden eingehen?
Ich muss gestehen: wir Recruiter:innen nutzen die Stellenanzeige noch immer sehr selten um ganz klar zu übermitteln, was ‚Sache ist‘. Noch immer haben sich die Gehaltsangaben in Stellenanzeigen in Deutschland nicht durchgesetzt. Und während man immer öfter die Kontaktdaten der zuständigen Personalfachkraft auf den Stellenanzeigen findet, sucht man Angaben zum weiteren Vorgehen oder zum Zeitraum, der vergehen wird, bis man erwartbar mit einer Rückmeldung rechnen kann, nach wie vor oft vergebens. Und als Recruiterin weiß ich auch, welche Bedenken dahinter stecken (also zumindest bzgl. der fehlenden Angaben zum weiteren Vorgehen): man hat schlicht Angst davor, den angegebenen Zeitraum nicht einhalten zu können. Und dies würde sich dann ja schlecht auf das Arbeitgeberimage auswirken und intern würde man natürlich auch nicht gut dastehen, wenn man seine eigenen Ziele nicht einhalten kann. Warum dies aber meiner Meinung nach genau dem Ziel eines guten Erwartungsmanagements im Recruiting widerspricht, möchte ich im Folgenden erläutern.
Der große Vorteile eines guten Erwartungsmanagements im Recruiting
Wenig in der professionellen Arbeitswelt ist so mysteriös wie Vertriebs- und Recruiting-Prozesse. Sowohl Kunden als auch Bewerbende wissen zu keinem Zeitpunkt so richtig, woran sie sind. Nicht umsonst vergleicht man ja mittlerweile beide Prozesse miteinander, nicht umsonst hat sich aus der ‚Customer Experience‘ die ‚Candidate Experience‘ entwickelt. Ein Großteil der Prozesse findet hinter verschlossenen Türen statt, rechtliche Aspekte führen zudem dazu, dass man sich als Arbeitgeber mit Feedback bedeckt hält. Und überhaupt hat man sich als Personalabteilung ja jahrzehntelang in einem Elfenbeinturm aufgehalten, so dass manche Personaler:innen diesem Denken auch noch etwas nachhinken.
Dabei würde es uns Personaler:innen selbst helfen, wenn wir etwas Licht ins Dunkle bringen würden. Wir würden uns selbst das Leben einfacher machen und mit den Bewerbenden gleichzeitig wertschätzender und verlässlicher agieren. Zudem erhöht ein gutes Erwartungsmanagement im Recruiting auch die Bindung der Kandidaten und Kandidatinnen an das neue Unternehmen.
Alles, was wir dafür tun müssen, ist, realistisch erwartbare Zeiten und Prozessschritte zu kommunizieren. Und da ist es fast schon irrelevant, wie diese Zeiten aussehen. Natürlich werden Bewerbenden nicht 3 Monate auf ein erstes Feedback warten. Solange man es aber schafft ein erstes Feedback innerhalb von 4 Wochen geben zu können (und ich rate sehr dazu, den Prozess so zu optimieren, dass es im Normalfall auch aller höchstens diese 4 Wochen dauert, sonst müssen wir bei ganz anderen Problematiken ansetzen), kann und sollte man entsprechende Fristen kommunizieren. Und natürlich würde ich nicht die 4 Wochen erwähnen, sondern ‚auf im Normalfall höchstens 3 Wochen bis zum ersten Feedback‘ abzielen. Aber warum denn nun 3 Wochen, wenn wir doch davon ausgegangen sind, dass es auch 4 Wochen werden können? Weil Bewerbende an sich recht geduldige Menschen sind.
Gutes Erwartungsmanagement erzeugt geduldiges Warten
Sobald Bewerbende nämlich in etwa wissen, für welchen Zeitraum sie warten sollen, tun sie das in der Regel und aus meiner Erfahrung heraus auch sehr geduldig. Ungeduld und Unsicherheit entsteht, wenn Bewerbende so gar nicht wissen wie es weitergeht. Dann beginnen die Überlegungen, Mutmaßungen und teilweise Hirngespinste. Wenn wir Recruiter:innen haben einen erwartbaren Rahmen vorgeben, vergeben uns die Bewerbenden in der Regel auch, wenn es dann trotzdem doch noch 3 Tage länger dauert.
Welche Maßnahmen des Erwartungsmanagements verbessern also die Candidate Experience?
Wir können also zusammenfassen, dass gutes Erwartungsmanagement die Candidate Experience verbessert, da es für die Bewerbenden besser abschätzbar ist wie der Prozess weitergeht. Den Bewerbenden wird die Unsicherheit genommen und empfinden dies im gleichen Zuge als wertschätzend.
Welche Maßnahmen sehe ich also für ein gutes Erwartungsmanagement? Hier eine kleine Übersicht.
- Angaben zum allgemeinen Recruiting-Prozess auf der Karriere-Website zum Nachlesen
- Angaben für den Ansprechpartner oder die Ansprechpartnerin inkl. Kontaktdaten
- Neben dem Call-to-Action – also dem Bewerbungsaufruf – in der Stellenanzeige sollte eine Zeitangabe bis zum ersten Feedback zu finden sein. Diese Info könnte auch manche Bewerbende, die besonders kurzfristig einen Job suchen, auch erst dazu ermutigen, ihre Bewerbung einzuschicken.
- eine Eingangsbestätigung sollte den Erhalt der Bewerbung bestätigen und so die Unsicherheit diesbezüglich nehmen. Gerade bei E-Mail-Bewerbungen herrscht noch immer eine große Unsicherheit bei Bewerbenden, ob eine Bewerbung denn nun eingegangen ist oder nicht. Ebenso sollte eine Eingangsbestätigung die nächsten Schritte sowie wiederum den Zeitrahmen bis zu einem ersten Feedback beinhalten. So entwickeln Bewerbende mehr Geduld bis zum ersten Feedback.
- Intervieweinladungen sollten auf Gesprächspartner, Art des Gespräches, Dauer etc. eingehen. Weitergehende Infos z.B. zum erwarteten Dresscode reduzieren weitere Unsicherheiten und ermöglichen ein Gespräch auf Augenhöhe.
- In jedem Gespräch sollte die Interviewende – auch ungefragt – die nächsten Schritte erläutern. Stehen Urlaube an oder kam es zu unerwarteten Ausfällen, dann erwähnt das transparent und bittet entsprechend um Verständnis. Ebenso sollte man sich beim Bewerbenden informieren, ob und in welchem Umfang er/sie in Entscheidungsnot ist.
- Gerade im Angebotsprozess sollte man die einzelnen Schritte genau erläutern und sich immer wieder rückversichern, ob noch offene Fragen bestehen. So kann ein Vertragsunterzeichnungsprozess besonders reibungslos vonstatten gehen.
Gutes Erwartungsmanagement erleichtert dem Recruiting das Leben
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Recruiting-Prozess sehr viel gradliniger verläuft und es zu viel weniger Unsicherheiten auf beiden Seiten kommt, wenn man die Erwartungen des Bewerbenden durch umfangreiche Information aktiv setzt statt offene Fragen oft unausgesprochen im Raum stehen zu lassen. Der Bewerbende ist stärker in den Recruiting-Prozess involviert und einfacher für den Recruiter oder die Recruiterin ansprechbar, da Bewerbende fast schon auf ‚ihren Einsatz warten‘.
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